Von Harold Hyman, franko-amerikanischer Journalist
Um Donald Trumps Haltung zu Gaza zu verstehen, müssen wir seinen Ansatz zu drei weiteren Themen betrachten: Grönland, Kanada und den Panamakanal. In seiner Antrittsrede sprach er im Stil des 19. Jahrhunderts von territorialer Expansion. Dann erwähnte er am 25. Januar kurz Grönland. In den darauffolgenden Tagen fügte er die beiden anderen Gebiete hinzu. Erinnern wir uns daran, dass er Grönland bereits während seiner ersten Amtszeit kurz angesprochen hatte. Doch während die Idee vor acht Jahren noch absurd erschien, wirkt sie heute brutal.
Nun ist Kanada ins Visier geraten, und der Präsident tat so, als wolle er es als 51. Bundesstaat in die Vereinigten Staaten aufnehmen. „Kanada“, so sagte er, „hat nicht die Stärke, eine Nation zu sein“ und überlebe nur durch ein für sie vorteilhaft unausgeglichenes bilaterales Handelsverhältnis. Eine Eingliederung könnte, seinen Andeutungen zufolge, auch mit Gewalt einhergehen.
Schließlich äußerte sich der Präsident zum Panamakanal und kritisierte, dass die panamaische Regierung amerikanische Schiffe übermäßig besteuere und die „Kontrolle“ über den Kanal an die Volksrepublik China verkaufe! Auch hier deutete er den möglichen Einsatz von Gewalt an.
Im Fall des Panamakanals sollen chinesische Interessen zunehmend Marktanteile gewinnen und Infrastruktur aufkaufen. Tatsächlich ist dieses Szenario nicht abwegig, da chinesische Unternehmen die Häfen an beiden Enden des Kanals betreiben. „Sie könnten die Häfen blockieren“, behaupten Trump und seine Berater, die Meister der gezielten Informationslecks. Glücklicherweise reiste der geschickte neue Außenminister Marco Rubio nach Panama und sicherte den Vereinigten Staaten bevorzugte Bedingungen für die Schifffahrt.
Dann wäre da noch der Fall Kanada. Präsident Trump sprach eine der schlimmsten Provokationen aus, die ein Amerikaner gegenüber einem Kanadier äußern kann: Ihr seid bedeutungslos, nur ein Anhängsel der Vereinigten Staaten, daher ist eine Eingliederung nur logisch. Doch Trump enthüllte dabei eine überraschende Tatsache: Während alle gewählten Vertreter und prominenten Kanadier ihre Empörung zum Ausdruck brachten, zeigen Umfragen – darunter eine von Ipsos –, dass 40 % der jungen Kanadier (18–34 Jahre) eine Eingliederung befürworten! Andererseits betrachten inzwischen 27 % der Kanadier die Vereinigten Staaten als Feind. Dieser Anti-Amerikanismus war schon immer vorhanden, erhält nun aber eine neue Richtung. Wird es zu einer Spaltung zwischen pro- und antiamerikanischen Kräften kommen? Manchmal äußert sich dieser Konflikt bereits in den kanadischen Wahlen. Dennoch hat Donald Trump einen wunden Punkt getroffen.
Im Fall von Grönland ist Chinas Interesse an Rohstoffen in den letzten Jahren zurückgegangen, könnte aber jederzeit wieder aufflammen. Die Grönländer selbst lehnen eine ausländische Kontrolle ihrer Bodenschätze zunehmend ab. Durch das fortschreitende Auftauen des Permafrosts infolge des Klimawandels ist ihr Ökosystem fragil, und der Bergbau könnte erheblichen Schaden anrichten. Trotzdem ist Trumps Position nicht völlig aussichtslos: Nur ein Viertel der Grönländer möchte Teil des dänischen Königreichs bleiben. Falls sie sich von Dänemark lösen, wäre ihre EU-Mitgliedschaft ungewiss. Nicht alle Grönländer lehnten Trumps Angebot ab, und Pro-Amerikaner gelten nicht als Verräter. Dänemark hingegen fühlt sich beleidigt. Ministerpräsidentin Mette Frederiksen betonte, dass Grönland nicht zum Verkauf stehe und nur die Grönländer über ihre Zukunft entscheiden könnten. Ihr grönländischer Amtskollege Múte Egede äußerte sich ebenso. Dennoch bleibt die Frage: Sollte Grönland – wie absehbar – per Referendum die Unabhängigkeit anstreben, könnten seine 57.000 Einwohner durchaus versucht sein, sich den USA anzuschließen, insbesondere wenn finanzielle Anreize geboten werden. Elon Musk könnte dabei eine Rolle spielen, mit seinem Kapital und seinem Einfluss. Das grönländische Lithium wäre ideal für Tesla-Fahrzeuge. Auch hier hat Trump einen Nerv getroffen.
Und schließlich Gaza: keine begeisterte Reaktion von den Palästinensern. Die Bewohner Gazas empfinden, dass ihre Vertreibung bestimmten externen Akteuren entgegenkäme. Trumps Plan ist sowohl ein Immobilienprojekt als auch ein annexionspolitisches Vorhaben: Er lockt amerikanische Investoren, die ein „Riviera“-Projekt ins Auge fassen, und er unterstützt israelische Ultranationalisten, die den Gazastreifen annektieren und dessen arabische Bevölkerung weitgehend vertreiben möchten. In diesem Fall gibt es jedoch weder Umfragen, die Trumps Vorhaben unterstützen, noch populäre oder diplomatische Rückendeckung – außer vonseiten der israelischen Regierung. Gaza ist ein zu weit entferntes Problem für Trump, dessen Fokus stärker auf seinen unmittelbaren Nachbarn liegt. Zwar hat er die Abraham-Abkommen vorangetrieben, doch die Golfmonarchien und Marokko denken nicht wie Hamas, Fatah oder andere palästinensische Gruppierungen. Die Abraham-Strategie wird sich nicht so einfach auf Gaza übertragen lassen.
Am Ende könnte Trump eine große Frustration verspüren, deren Folgen nicht vorhersehbar sind. Selbst im Fall von Grönland und Kanada könnte es zu anhaltender Abneigung gegen die sogenannte Manifest Destiny kommen – was letztlich zu einem Backlash führen könnte.