Die westmarokkanische Sahara-Frage ist eines der größten Hindernisse in den bilateralen Beziehungen zwischen Marokko und Algerien, zumal Marokko den brüderlichen Nachbarn immer wieder beschuldigt, der erste Unterstützer der Polisario-Befreiungsfront zu sein, die die Unabhängigkeit der Sahara fordert und die marokkanische Autonomieinitiative ablehnt. Diese Haltung wird von Algerien nicht geleugnet. Stattdessen erklären sie sich dazu bereit, die Unabhängigkeit der Westsahara zu unterstützen und ihre Mitglieder auf ihrem Territorium zu beherbergen.
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Die marokkanische elektronische Zeitung „Hespress“ zitierte einen an die Generalversammlung der Vereinten Nationen gerichteten Bericht des Generalsekretärs der Vereinten Nationen António Guterres über den Zeitraum von 2011 bis 2020, in dem der Sicherheitsrat die Frage der marokkanischen Sahara als regionalen Konflikt gemäß Kapitel VI der Charta der Vereinten Nationen erörterte und als „Friedliche Beilegung von Streitigkeiten“ betrachtet.
„Der Sicherheitsrat fordert Algerien auf, den marokkanischen Sahara-Konflikt, der aus geopolitischen Gründen entzündet wurde und als ein hervorgerufenes Erbe des Kalten Krieges verlängert wurde, im Geiste des Konsenses mit dem persönlichen Gesandten des UN-Generalsekretärs konstruktiv zusammenzuarbeiten, um den Erfolg dieses Prozesses sicherzustellen“ so Hespress.
Guterres erklärte, dass „der Sicherheitsrat während des genannten Zeitraums die Berichte des Generalsekretärs weiter studiert und Entscheidungen über die Situation im Zusammenhang mit der Sahara trifft“ und betonte, dass „die Gesandten und Sondervertreter des Generalsekretärs die Parteien weiterhin konsultiert haben, um diese problematische Situation anzugehen“.
Die Wurzel des Problems
Die Westsahara ist eine weitläufig ausgedehnte Region im Nordwesten Afrikas und erstreckt sich über eine Fläche von etwa 266.000 Quadratkilometern. Sie war eine ehemalige spanische Kolonie und derzeit verwaltet Rabat etwa 80 Prozent davon und der Rest wird von der Polisario-Front verwaltet. Es wird geschätzt, dass die dortige Bevölkerung etwa eine halbe Million Menschen beträgt, verteilt auf die Städte der Region, die in der Zeit von 1884 bis 1976 dem spanischen Kolonialismus unterworfen waren, und nach ihrer Abreise von Marokko und der Polisario-Front bestritten wurde. Ihrerseits erhöhte die Polisario-Front militärisch geführte Operationen und mobilisierte Demonstrationen, um die Unabhängigkeit zu fordern, während Marokko und Mauretanien vor den Internationalen Gerichtshof gingen.
Am 16. Oktober 1975 kündigte Marokko die Mobilisierung des „Grünen Marsches“ in Richtung Sahara an, und im Januar 1976 wurde die Gründung der „Arabischen Demokratischen Republik Sahara“ mit Unterstützung Algeriens angekündigt. Die Antwort Marokkos darauf kam Anfang der achtziger Jahre in der Errichtung einer Sandmauer um die Städte Smara, Laayoune und Boujdour, um die phosphatreichen Wüstenregionen und die wichtigsten Wüstenstädte zu isolieren, da diese Mauer die wichtigsten Wüstengebiete vor Angriffen der Polisario-Front schützte.
Als Libyen im Jahr 1984 aufgab, die Polisario zu unterstützen, und sich Algerien dann mit seinen internen Krisen beschäftigte, wurde Marokkos Position bezüglich seiner Kontrolle über die Sahara gestärkt. Die Westsahara-Krise zählt heute zu den am längsten andauernden politischen und humanitären Konflikten der Welt. Während diesen Krieges suchten viele Bewohner der Westsahara Zuflucht in Algerien, wo sie sich seit Jahrzehnten in Lagern aufhalten.
Die Polisario-Front wurde am 20. Mai 1973 mit dem Ziel gegründet, einen unabhängigen Staat in der Westsahara zu errichten. Ihre militärische Tätigkeit begann während der spanischen Kolonialisierung der Region, wo sie Hilfe aus Libyen und Algerien erhielten, um zwischen 1975 und 1976 die Gründung der „Demokratischen arabischen Sahar-Republik“ anzukündigen. Außerdem wurde zu dieser Zeit die Exilregierung in der Region Tindouf im äußersten Süden Algeriens gebildet.
Die Haltung Algeriens
Die offiziellen Erklärungen Algeriens waren der Ansicht, dass seine Unterstützung für Polisario eine Grundsatzfrage wäre, ähnlich wie seine Unterstützung für Nelson Mandela in Südafrika zuvor und seine Unterstützung in Bezug auf die Frage um den Staat Palästina, was einige Beobachter dazu veranlasste, zu sagen, dass die Beziehung zwischen Algerien und der Polisario-Front bereits als historisch verwurzelt betrachtet wird.
Der ehemalige algerische Offizier Anwar Malik sagte laut BBC wiederum, dass der Grund für die algerische Unterstützung von Poilsario nicht nur mit dem zusammenhängt, dass Algerien von der „Gerechtigkeit der Sache“ spricht, sondern dass damit eine Gelegenheit gefunden wurde, alte und neue Lasten mit Marokko abzurechnen. Da Marokko seine bereits bekannten Ambitionen in der algerischen Sahara verfolgt, gibt es auch einen Wettbewerb um die Führung im Maghreb.
Speziell hat Algerien eine herausragende Rolle bei der Unterstützung der Unabhängigkeit der Westsahara auf der internationalen politischen Bühne gespielt, und in diesem Zusammenhang kam die Anerkennung der Westsahar’s Regierung durch die OAU.
Die Vision der internationalen Weltgemeinschaft
Die Vereinten Nationen griffen seit 1988 in den komplexen Konflikt ein und boten verschiedene Lösungen für das Problem an, einschließlich des Referendums, welches in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts vorgeschlagen wurde und es sich aus zwei Ergebnissen zusammenfassen lässt: Das erste besteht darin, sich Marokko anzuschließen, was die Polisario ablehnt, und das zweite darin, sich von Marokko zu trennen und einen unabhängigen Westsahara-Staat zu schaffen, welcher aus marokkanischer Sicht nicht akzeptiert wird.
Die Vereinten Nationen trafen umfassende Vorkehrungen, um das Referendum zu organisieren, beginnend mit der Geltung und Würdigung des Waffenstillstands zwischen den beiden Seiten im Jahr 1991, aber das Referendum wurde wegen fehlender Einigung darüber, wer zur Teilnahme berechtigt ist, ausgesetzt. Es gab auch einen Vorschlag, der Westsahara eine breite Autonomie unter der marokkanischen Regierung zu gewähren, so dass die Polisario den Vorschlag damals ablehnte und von Algerien für diese Haltung solidarisch unterstützt wurde, während Marokko diesen Vorschlägen zu diesem Zeitpunkt zustimmte. Danach schlug Kofi Annan, der frühere Generalsekretär der Vereinten Nationen, die Teilungsoption als vierte Lösung im Jahr 2002 vor, wobei Marokko zwei Drittel und Polisario ein Drittel bekämen, weshalb Marokko dies ablehnte.
im Jahr 1991 begannen die Vereinten Nationen mit der Überwachung des Waffenstillstandsabkommens in der Westsahara. 2016 drohte Marokko, die in der Westsahara operierenden UN-Friedenstruppen nicht zuzulassen, nachdem der Generalsekretär der Internationalen Organisation António Guterres während seines Besuchs in Tindouf den Ausdruck „Besatzung“ in Bezug auf die Annexion der Westsahara durch Marokko nach dem Rückzug des spanischen Kolonialismus im Jahr 1975 verwendet hatte.
Es ist anzumerken, dass Rabat 2007 einen Plan vorschlug, der Westsahara ein hohes Maß an Autonomie zu gewähren, wobei jedoch die Symbole der marokkanischen Souveränität wie die Flagge, die Nationalhymne und die marokkanische Währung erhalten bleiben sollten. Washington brachte seine Unterstützung für den von Marokko vorgelegten Plan zum Ausdruck, der Westsahara Autonomie zu verleihen, da der Plan „realistisch und glaubwürdig“ sei.
Verlautbarung der Unparteilichkeit
Laut „Hespress“ war Idriss El Karini, Professor für internationale Beziehungen an der Universität von Cadi Ayyad in Marrakesch der Ansicht, dass Algerien trotz seines wiederholten Standpunktes zur Wahrung seiner Neutralen Position in einer den vereinten Nationen vorgelegten Sachkunde bestätigt, dass die Realität der Praxis folgt, sodass Algerien alle seine wirtschaftlichen, diplomatischen und politischen Ressourcen dazu nutzt, die „Polisario“ zu unterstützen. Er fügte in seiner Erklärung hinzu, dass Algerien „weder regional noch international eine Gelegenheit auslässt, Erklärungen abzugeben, die die Einheit Marokkos beleidigen, was zu einer Verstimmung aller Bemühungen der Vereinten Nationen zur Beilegung dieser Akte führt“.
Der marokkanische Professor für Politik glaubte, dass die Vereinten Nationen sowie eine Reihe von Ländern der Welt sich der Anstiftungsrolle bewusst geworden sind, die Algerien in dieser Hinsicht spielt, was jede konstruktive Initiative an ihrer Bedeutung verliert. Aus diesem Grund wurde in den letzten Jahren in vielen Resolutionen des Sicherheitsrates gefordert, dass die Nachbarländer eine solide Atmosphäre schaffen sollen, die den politischen Prozess im Rahmen des guten Willens unterstützt, und dies ist laut El-Karini ein klarer Hinweis auf Algerien.
Dann war der Universitätsprofessor der Ansicht, dass die Bestätigung der Rolle Algeriens in diesem Konflikt durch den UN-Generalsekretär in seinem der Generalversammlung als „internationales Parlament“ vorgelegten Bericht enthalten war, um der Welt und den Vereinten Nationen zu erklären, wie wichtig es sei, dass Algerien von diesem Kurs abweichen solle, welcher von den Vereinten Nationen in guter Manier überwacht wird, und fügte hinzu: Dieser Schritt wäre ein hilfreicher und unterstützender Faktor bei der Beendigung dieses Konflikts, insbesondere nachdem Marokko das Autonomieprojekt vorgeschlagen hatte, welches von dem internationalen Rat in einer Reihe seiner Entscheidungen als ernsthaft und glaubwürdig beachtet wurde.
Die Kritik aus Marokko
Die marokkanische Zeitung war der Ansicht, dass der Bericht des UN-Generalsekretärs und durch seine gezielte Erwähnung des politischen Lösungsweges nach der Resolution 2494 und einer ganzen Serie der Runden Tische, wie vor zwei Jahrzehnten, den Lösungsplan und das Referendum völlig ignorierte und erneut bekräftigte, die verzweifelten und sterilen Versuche Algeriens sowie seine künstlich geschaffene bewaffnete separatistische Gruppe namens „Polisario“, in ihrer Bestrebungen des Separatismus zu unterstützen. Algerien versuche damit die veralteten Pläne wiederzubeleben, die der Sicherheitsrat seit 2001 bereits begraben hat.
Und der Generalsekretär der Vereinten Nationen António Guterres kündigte zuvor an, dass die Frage der Westsahara weiterhin von der Generalversammlung der Vereinten Nationen als ein Fall der Entkolonialisierung behandelt und geprüft wird. In einem Bericht zur Bewertung der dritten internationalen Dekade der Bemühungen der Vereinten Nationen zur Abschaffung des Kolonialismus aus der Welt sagte der Generalsekretär, dass das Thema Westsahara vom UN-Sicherheitsrat auch behandelt wird, der es seit 1975 auf seine Tagesordnung setzen ließ.
In diesem Zusammenhang erklärte Guterres, dass der UN-Sicherheitsrat die Berichte des Generalsekretärs weiterhin prüfte und Entscheidungen über die Lage in Bezug auf die Westsahara getroffen hatte, sodass der Rat die Konfliktparteien, sowohl die Polisario-Front als auch das Königreich Marokko aufforderte, die ins Stocken geratenen Verhandlungen unter dem Schirm des Generalsekretärs und der Einhaltung der Auflagen, sowie nach gutem Willen mit der Berücksichtigung der seit 2006 unternommenen Anstrengungen wiederaufzunehmen, um eine gerechte und dauerhafte politische Lösung zu erreichen, die das Recht der Menschen in der Westsahara auf Selbstbestimmung garantiert.
In demselben Bericht bemerkte Guterres: „Die Generalversammlung prüfte den Bericht des Sonderausschusses über den Stand der Umsetzung der Unabhängigkeitserklärung für Kolonialländer und Völker unter dem Titel „Umsetzung einer Unabhängigkeitserklärung für Kolonialländer und Völker“. Dazu überwacht sie die Entwicklungen in allen nicht selbstverwalteten Gebieten und lieferte entsprechende Berichte über jede Region nach dem Vorbild der Westsahara.