Die aktuellen Ereignisse in Israel lassen verstärkt wieder die Überlegung aufkommen, inwieweit das Mullah-Regime im Iran versucht, die westliche Öffentlichkeit und Politik massiv zu beeinflussen.
Recherchen einer Exil-iranischen Plattform wollen nun belegen, welche Netzwerke Teheran im Westen aufbaute, um die öffentliche Meinung in Europa und den USA in ihrem Sinne zu beeinflussen. So soll der Iran im Jahr 2014, in einer entscheidenden Phase der Verhandlungen um ein Atomabkommen, ein Netzwerk westlicher Wissenschaftler und Politikberater gebildet haben, um mit deren Hilfe die öffentliche Meinung zugunsten der iranischen Politik zu beeinflussen – unter anderem Iran-Experten, die zum Teil in wichtigen Positionen der US-Regierung arbeiteten. Neben den USA sollen die Strippenzieher aus Teheran auch in Deutschland mit ihrer Taktik erfolgreich gewesen zu sein. Als Quelle dieser Anschuldigungen dienen tausende E-Mails eines iranischen Diplomaten und Offiziers der Revolutionsgarden, Journalisten zugespielt wurden.
Hauptziel in den USA soll der US-Sonderbeauftragte für den Iran, Robert Malley sein, der aktuell aus unbekannten Gründen beurlaubt ist. Laut Recherchen soll alles 2014 begonnen haben in Deutschland mit dem damaligen Leiter von IPIS, dem Forschungsinstitut des Teheraner Außenministeriums, an der iranischen Botschaft in Berlin. Damals gingen die Verhandlungen zwischen dem Westen und Iran zum Atomprogramm in eine entscheidende Phase. Die Verhandlungen waren durchaus kontrovers, weil auch einige westliche Experten die diskutierten Maßnahmen für zu wenig streng hielten und stattdessen mehr Druck auf Teheran forderten. Die Regierung des damaligen US-Präsidenten Barack Obama erhoffte sich von einem Abkommen hingegen eine Stärkung der moderaten Kräfte in der iranischen Elite, zu denen auch der damalige Präsident Ruhani gezählt wurde, und positive Auswirkungen auch auf andere Konflikte in der Region. Zwischen diesen Positionen tobte der Streit im Westen.
Dieser IPIS-Vertreter verfasste eine E-Mail mit dem Vorschlag, die Gründung eines Netzwerks von iranisch-stämmigen Mitarbeitern westlicher Thinktanks zu forcieren, das Teheran „politisch unterstützen“ solle. Als Konsequenz sollen zehn solcher Thinktanker in der sogenannten Iran Experts Initiative (IEI) versammelt worden sein – unter ihnen die aktuelle Iran-Expertin der renommierten International Crisis Group (ICG), und die jetzige Stabschefin eines Assistant Secretary of Defense im US-Verteidigungsministerium, also Büroleiterin einer Spitzenbeamtin. 2021 und 2022 war die Amerikanerin mit iranischen Wurzeln Beraterin des heute beurlaubten Washingtoner Iran-Unterhändlers Robert Malley.
Diese Experten hätten sich auch außerhalb regelmäßiger Treffen mit iranischen Spitzenvertretern eng mit Teheran ausgetauscht. So sollen Aufsätze für westliche Publikationen zuvor an iranische Vertreter geschickt worden sein. Auch wurde nachgefragt, ob Tagungen in Israel und Saudi-Arabien besucht werden sollen – Länder, die dem Iran kritisch bis feindlich gegenüberstehen.
Eine besonders deutliche Überschreitung der Grenzen zwischen Austausch und Beeinflussung lasten die Journalisten dem deutschen Iran-Experten Adnan Tabatabai an, dem Geschäftsführer des Bonner Nahost-Thinktanks Carpo, dessen Projekte bis vor kurzem vom deutschen Außenministerium gefördert wurden. Die Nachrichtenseite präsentierte eine Mail von Tabatabai an den früheren iranischen Außenminister Zarif, in der Tabatabai anbietet, die Mitglieder des Netzwerks könnten Artikel verfassen, die dann unter den Namen amtierender oder ehemaliger iranischer Vertreter veröffentlicht werden. Es ginge in diesem Fall also um eine direkte Zuarbeit der Experten zur Außendarstellung des Iran, zumal unter Vortäuschung falscher Tatsachen, nämlich einer falschen Autorenschaft.
Auf Anfrage erklärte Tabatabai, dass es diese Mail nicht geben würde. Weder als Einzelperson noch im Namen der Gruppe habe er Iran oder einer anderen Verhandlungspartei so etwas angeboten. Zwar habe es die Iran Experts Initiative tatsächlich gegeben, sie sei aber „weder von Iran initiiert, noch koordiniert oder finanziert“ gewesen, sondern von den Experten selbst gegründet worden.
Das deutsche Außenministerium wollte sich nicht zu den neuen Anschuldigungen gegen Tabatabai äußern. Es hatte seine Förderung offenbar auf Druck der Öffentlichkeit im Mai 2022 eingestellt. Denn schon seit längerem wurde dieser von Iranerinnen und Iranern in Deutschland und anderen europäischen Ländern beschuldigt, seinen Expertenstatus in deutschen und internationalen Medien für regimenahe Narrative zu missbrauchen. So berichteten mehrere Personen, die zu ihrer Sicherheit anonym bleiben wollen, dass Tabatabai „lupenreine Propaganda“ verbreite. „Man muss ihn nicht interviewen, man kann auch einfach iranisches Staatsfernsehen schauen“, so ein Exil-Iraner.
Auch die Arbeitgeber anderer Experten, die durch die Recherchen namentlich genannt wurden, International Crisis Group und das European Council on Foreign Relations, bestreiten die Existenz der IEI nicht. Sie entgegneten auf Anfrage, es habe sich um eine unabhängige Initiative der Beobachter gehandelt.
Ausser Adnan Tabatabai spricht keiner der Beschuldigten von Fälschungen. Aber auch ungeachtet der Echtheit des Materials stellt sich die Frage nach der Grenzziehung unabhängiger Experten zum Gegenstand ihrer Expertise. Sicher ist, dass sich die genannten Experten für einen Verhandlungskurs gegenüber dem Iran ausgesprochen haben.
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