Eine der größten Moscheen in der österreichischen Hauptstadt steht unter Verdacht, Hamas-Terroristen zu verteidigen. Ebenso steht die Vermutung im Raum, sie würde dem politischen Islamismus nahestehen und die Ideologie der islamistisch-extremistischen Muslimbruderschaft verbreiten. Dies will die „Dokumentationsstelle politischer Islam“ in einer neu herausgegebenen Studie herausgefunden haben.
Sie ist eine der größten islamischen Gotteshäuser in Wien: Die Al-Hidaya Moschee, betrieben von der Islamischen Vereinigung Österreich (IVÖ) sowie verzahnt mit dem „Alrisalah – Verein für Familie und Jugend“ und der ihm zugehörigen Alrisalah-Moschee. Die IVÖ kam bereits vor einigen Jahren Österreich-weit in die Schlagzeilen, da einwog ihr betriebener Kindergarten von den Behörden geschlossen werden musste, da dieser bereits Kleinkinder dazu erzogen haben soll, westliche Werte abzulehnen, die Scharia zu loben und westliche Gesellschaften abzulehnen. Nun zeigt eine Studie der „Dokumentationsstelle politischer Islam“, dass der Cheftheologe der Moschee, in der auf Arabisch gepredigt wird, extremistische und den westlichen Werten feindlich eingestellte Predigten gehalten haben soll. Ebenso soll er die terroristischen Akte der Hamas verteidigt haben.
Die islamische Vereinigung wurde 1987 von den Geschwistern Jamal und Aiman Morad gegründet, die lange Zeit auch in führenden Positionen des Vereins tätig waren. Einer der Gründer soll gegenüber einem arabischen Fernsehsender offen zugegeben haben, einer der „Führer der Muslimbruderschaft in Europa“ zu sein, und bestätigte auf Nachfrage eines Interviewers, dass er ein Kader der Muslimbruderschaft in Österreich sei. Vor der letzten Wahl war er Mitglied des Obersten Rates der Islamischen Glaubensgemeinschaft Österreichs (IGGÖ).
Die IVÖ war in ihrer Anfangszeit auch eng verbunden mit der „Islamischen Liga der Kultur“ zusammen. Beide waren offizielle Mitglieder der „Federation of Islamic Organisations in Europe“ (FIOE), dem europäischen Dachverband der Muslimbruderschaft. Funktionäre der IVÖ waren zudem aktiv in die „R4bia-Austria-Bewegung“ verflochten, die sich selbst in ihrer Selbstbeschreibung auf Facebook unter anderem als „Enkelkinder von Hasan al-Banna“ bezeichnet, dem ideologischen Gründer der Muslimbruderschaft. Darüber hinaus war es in früheren Jahren wiederholt zu Besuchen führender Aktivisten aus dem Umfeld der Muslimbruderschaft bei der IVÖ gekommen. Unter anderem konnte man 2005 den populären ägyptischen Prediger Wagdi Ghonim, einen Vertreter des radikalen Flügels innerhalb der Muslimbruderschaft, für eine Freitagspredigt in der Hidaya-Moschee gewinnen.
Nun werden in einer neuen Studie der Dokumentationsstelle politischer Islam die Predigten des Imam der al-Hidaya-Moschee und Präsidenten der IVÖ, Ibrahim al-Demerdash, genauer untersucht. Die online verfügbaren Predigten wurden im Zeitraum von 2013 bis 2020 gehalten und deuten islamistische Grundmuster an, besonders legen sie ein ideologische Verzahnung mit der extremistischen Muslimbruderschaft nahe. Bereits 2011 berichtete die „Wiener Zeitung“ über islamistische Predigten in der Moschee. Dazu befragte sie einen Syrer, der häufig zum Freitagsgebet anwesend war. Dieser berichtete wie folgt: „Eigentlich fast immer wurde der Arabische Frühling in den Freitagsgebeten der Hidaya-Moschee angesprochen. Letzte Woche pries Imam Ibrahim Demerdash den Gründer der Muslimbrüder, Hassan al-Banna, und zitierte viele seiner Aussagen. Viele Besucher dort sind als Muslimbrüder bekannt.“
Der Imam geriet bereits in den Fokus der österreichischen Sicherheitsbehörden während der Ermittlungen in der „Operation Luxor“, bei der am 9. November 2020 dutzende Razzien gegen angebliche Muslimbrüder und mutmaßliche Mitglieder der terroristischen Hamas stattgefunden hatten. In den Ermittlungsakten zur Operation Luxor taucht aber nicht nur der Imam als Beschuldigter auf, sondern auch die zwei Brüder, die die IVÖ gründeten. Sie sollen auch über gute Kontakte nach Katar verfügen dürften. Der Anwalt des Imams spricht angesichts der neuen Vorwürfe von einer „unrichtigen, verzerrten Berichterstattung“. Er nennt die Berichte „falsch“, die Zitate „aus dem Zusammenhang gerissen“, so zitiert ihn die Presse in Österreich. Diese seien so nie gefallen, die Übersetzungen befinde er „großteils“ für falsch.
In den Predigten des Imam al-Demerdash wird immer wieder darauf hingewiesen, dass der Islam ein allumfassender Glaube ist mit totalitärem Anspruch der Religion. „Der Islam ist Religion und Staat, Regierung und Gemeinde, Moral und Stärke, Kultur und Gesetz, Kampf und Mission, Armee und Idee. Mit einem solchen Verständnis bewegt sich die Umma [als Umma wird die Gemeinschaft aller Muslime bezeichnet. War sie zur Zeit Moḥammeds und der ersten Kalifen noch weitgehend einig sowohl im religiösen als auch politischen Sinne, so hat sie sich später in verschiedene Staaten, in religiöser Hinsicht in verschiedene Bekenntnisse aufgespalten. Die Wiederherstellung der Umma in ihrer ursprünglichen Form wird gegenwärtig von vielen Muslimen als wichtiges Ziel angesehen] zu vertieftem Glauben und richtiger Formierung und zum unablässigen Werk an der Verwirklichung der islamischen Idee in der realen Welt des Menschen, aller Menschen, den Muslimen und den Angehörigen der anderen Religionen.“ Das politische Moment im Islam, besonders für Muslime in den europäischen Gesellschaften, wird immer wieder vom Imam thematisiert. Für ihn kann der Islam nicht losgelöst werden von Politik und sogar bewaffnetem Kampf. „„Unser Glaube ist nicht von der Aktivität der Politik losgelöst. Der Prophet, Friede und Segen sei auf ihm, war Prediger, Politiker, Führer, Krieger und Kämpfer in einem! Religion umfasst für uns alle Facetten des Lebens. Und hier in Wien, in der Hidaya-Moschee, spreche ich über dieses Verständnis und dieses Konzept vom Islam!“
Al-Demerdash kritisiert auch die Muslime, welche sich den westlichen Werten verpflichtet fühlen und den Glauben als reine Privatangelegenheit des Individuums ansehen. Diese Gläubigen bezeichnet der Imam in einer Predigt als „verwirrte Köpfe“, was unter anderem im Liberalismus, Säkularismus und der Verwestlichung bei Muslimen zum Ausdruck komme: „Ja, es gibt [unter uns] welche, deren Köpfe verwirrt sind und deren Glaube mangelhaft ist. Sie verstehen die Sache nicht vollständig, weil sie von den falschen Grundannahmen ausgehen und weil sie von der säkularen, liberalen Denkweise befallen sind, sie leben verwestlicht. Der Unterschied zwischen ihnen und der Umma Muhammads, Friede und Segen sei auf ihm, dieser Unterschied ist enorm! Die Umma lebt [auf der Grundlage] ihrer Religion, ihrer Glaubenslehre und Jurisprudenz, ihrer Offenbarung und der Sunna des Propheten. Daneben gibt es aber eine andere Fraktion [gemeint sind säkulare Muslime], die mit einer anderen Glaubens- und Pflichtenlehre lebt, mit einem anderen Geist, der weit entfernt von dem Geist des Islams ist. Deshalb fühlen sie nicht mit, was in Gaza passiert, sondern konspirieren dagegen und bringen die Welt dagegen auf. Sie fordern Tötung und Vertreibung und Schädigung,ja ich sage: Schädigung des Islams und der islamischen Umma!“
Der Terror der Hamas in Gaza wird von al-Demerdash ebenfalls thematisiert. In einer Predigt lobt er die gewalttätigen Aktionen: „Und wir sahen in Gaza, dem Lande der Ehre, eine Jugend: Es ist eine Jugend von der Generation Gazas, eine gewaltige und kühne Generation! Eine Generation, die den Gefahren trotzt. Ja, sie zerstören die Macht Israels und der internationalen Zionisten, diese große Täuschung.Wir besitzen eine Waffe, deren Stärke nur derjenige kennt, der an sie glaubt: Es ist die Waffe des Glaubens und des Islams, die Waffe des Korans und des Monotheismus. Es ist eine Waffe gegen die kein Feind ankommt, wenn der Mensch sie so benutzt, wie es notwendig ist. Deswegen stellt sich diese kleine Handvoll Menschen in Gaza gegen Israel und erteilt der Menschheit eine Lektion: Gott hat einer mächtigen und kampfesmutigen Generation den Weg bereitet in Gaza und in allen unseren Ländern.“
Auch predigt er in einer westeuropäischen Moschee davon, wie ehrenvoll der Märtyrertod von Muslimen ist: „Die Märtyrer sind bei ihrem Herrn, sie sind beschenkt. Die anderen aber, da sie sich nach dem Leben sehnen, empfinden den größeren Schmerz. Wir sind voller Freude, wenn wir sehen, dass Gott von uns Märtyrer nimmt. Wieso? ‚Und Gott wollte auf diese Weise diejenigen läutern, die gläubig sind, und die Ungläubigen dahinschwinden lassen. Oder meint ihr, in das Paradies einzugehen, ohne dass Gott diejenigen erkennt, die unter euch gekämpft haben, und ohne dass Er die Geduldigen erkennt?‘ Das Paradies ist nicht leicht zu erreichen, niemals. Es ist notwendig, dass wir getestet und geprüft werden und dass Gott, erhaben ist Er, von uns Märtyrer nimmt und damit diese Herzen läutert, wahrhaftig!“
Die Al-Hidaya-Moschee als offizielles Gebetshaus steht rechtlich unter der Kontrolle der IGGÖ. Diese nehme die im Raum stehenden Vorwürfe ernst, allerdings wäre es, so ein Statement gegenüber „Der Standard“, „verfehlt, den Sachverhalt zu beurteilen, ohne den Verantwortlichen der betroffenen Gemeinde die Möglichkeit einer Stellungnahme einzuräumen“. Daher könne man sich noch nicht konkret zu den Vorwürfen äußern. Sollten sich diese jedoch erhärten, werde die IGGÖ „adäquate Maßnahmen“ setzen.
Auch der Juniorpartner in der österreichischen Bundesregierung äusserte sich zu den Vorwürfen in der Al-Hidaya Moschee. „Wir dürfen und werden es nicht zulassen, wenn radikale Prediger im Sinne eines politischen Islam unsere Jugend mit homophobem, frauenfeindlichem, kindeswohlgefährdendem und antisemitischem Gedankengut vergiften“, sagt die grüne Abgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic. „Wenn die Erkenntnisse der Dokumentationsstelle Politischer Islam in dem von der zuständigen Bundesministerin angekündigten Ermittlungsverfahren bestätigt werden, müssen hier schleunigst die Konsequenzen gezogen werden.“
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